Wille zur Macht oder Wille zum Vertrauen?
Prof. Dr. phil. Wolfgang Rother, Zürich
Das anthropologische Faktum des Selbsterhaltungstriebs als Wille zum Leben wird von Nietzsche in zuspitzender Weise als Wille zur Macht gefasst. Als ontologisches Prinzip der Natur- und Weltbeherrschung wie auch als Grundmotiv menschlichen Handelns und Basis sozialer und politischer Ordnung ist er Ausdruck des Strebens nach rationaler Berechenbarkeit und maximaler Kontrolle. Dieser Willensintentionalität, die letztlich von einem rigiden System- und Sicherheitsdenken geleitet ist – man will die Dinge „im Griff haben“ –, wird unter dem Titel des Willens zum Vertrauen ein alternatives Konzept entgegengestellt. Wille zum Vertrauen impliziert eine bewusste Wahl gegen das Misstrauen, das die Wurzel des Willens zur Macht ist und das die Erfahrung enttäuschten Vertrauens zu gebieten scheint. Insofern ist der Wille zum Vertrauen der mutige und in genuinem Sinne rückhaltlose Wille zum Wagnis: zum Eingehen des unkalkulierbaren Risikos ohne Gewissheiten, ohne Sicherheiten. Dieser Wille zum ungesicherten Vertrauen stellt – so meine These – vielleicht die einzige Möglichkeit einer tragfähigen Beziehung zu sich selbst und zu anderen dar.
Ort: Restaurant Weisser Wind, Weggenstube, Oberdorfstrasse 20, 8001 Zürich.
Eintritt: Die Vorträge sind für Mitlieder der GAD und des entresol sowie für Studierende gratis. Nichtmitglieder zahlen Fr. 20.--.