Vortrag von Prof. Dr. Georg Kohler, Philosoph, Zürich
Der Vortrag gliedert sich in vier Abschnitte:
1. Habermas’ Vernunftglaube: die These vom «zwanglosen Zwang» des besseren Arguments im Rahmen der Diskurstheorie.
2. Die Erfahrung der politischen Philosophie: ohne Dezision (= Abbruch der Diskussion) geht es nicht. Aber ohne Diskussion auch nicht.
3. Das doppelte Wahrheitsinteresse im menschlichen Dasein: Das Interesse an der Wahrheit der eigenen Setzung vs. das Interesse an der Wahrheit an sich. Oder: Bedingtes vs. unbedingtes Wahrheitsinteresse.
4. Vernünftiger Vernunftglaube oder der Unterschied zwischen Vernunft und Rationalität. Habermas’ Formel als Ausdruck philosophischer Aufklärungshoffnung.
Vortrag von lic. phil. Franz Derendinger, Germanist und Philosoph, Olten
In seinem Buch "Die Gesellschaft der Singularitäten" von 2019 zieht Andreas Reckwitz eine Achse, über die sich der kulturelle Paradigmenwechsel der letzten 50 Jahre auf den Punkt bringen lässt. Reckwitz zufolge hat eine "Logik des Singulären" eine "Logik des Allgemeinen" in der Herrschaft über die westlichen Gesellschaften abgelöst. Diese beiden "sozialen Logiken" bilden ein idealtypisches Raster, das den Blick auf die wesentlichen Aspekte des Wandels zu fokussieren erlaubt.
Ein Gespräch zwischen Alice Holzhey und dem Psychiater und Philosophen Paul Hoff
Das Thema unseres Gesprächs mag vielen als ein heisses Eisen vorkommen angesichts der öffentlichen Meinung, soweit sie in den Medien vertreten wird. Denn wer sich heute als aufgeklärt und fortschrittlich versteht, klagt die frühere Entmündigung seelisch kranker Menschen (zu Recht) an und tritt darum für deren grösstmögliche Freiheit in der eigenen Lebensgestaltung ein. Entsprechend selbstverständlich reagieren heute auch die öffentlichen Medien mit Empörung, wo immer ihnen ein von Patienten eingeklagter Machtmissbrauch innerhalb der Psychiatrie bekannt wird...
Am Donnerstag den 6. Juni 2024 findet um 19.00 Uhr, also vor der Forums-Veranstaltung mit Prof. em. Dr. Dr. Paul Hoff, welche um 20.00 Uhr beginnt, ebenfalls in der Weggenstube die alle zwei Jahre durchgeführte ordentliche Vereinsversammlung der Gesellschaft für hermeneutische Anthropologie und Daseinsanalyse GAD statt. Anschliessend Apéro bis 22:00 Uhr, zu dem auch die Forums-Teilnehmer eingeladen sind!
Die Mitglieder der GAD erhalten für die Vereinsversammlung noch eine gesonderte Einladung.
Bei so mancher psychischen Krankheitsentwicklung scheint es einem paradox vorzukommen, dass Einschränkungen in Leistungs- und Genussfähigkeit mit mehr Freiheitsgraden einhergehen. Befreit von eben jenem Zustand, von dem es sich gerade auszunehmen gilt, birgt der Ausnahmezustand, ob als krankhafte Entwicklung in den Wahnsinn oder als eigentlich gesund zu betrachtende Reaktion auf die schier wahnsinnig machenden, umgebenden Verhältnisse, durchaus ein Freiheitsversprechen...
Vortrag von Dr. phil. Peter Widmer, Psychoanalytiker
Die Frage nach der Freiheit führt zu unterschiedlichen Antworten, teilweise bedingt durch die vielen Perspektiven, unter denen sie angegangen werden kann – kulturelle, psychologische, philosophische, die mit empirischen oder rein denkerischen Mitteln, mit Statistiken, Gesprächen oder Reflexionen angegangen werden.
Die Grundregel der Psychoanalyse, die den Analysanden auffordert, seine Einfälle ohne Rücksicht auf Konventionen zu artikulieren, stellt ein interessantes Studienobjekt für die Freiheitsfrage dar, denn einerseits wird sie mit dem freien Assoziieren gleichgesetzt, andererseits behauptet ihr Begründer, Sigmund Freud, das seelische Geschehen sei vom Unbewussten, von Triebkonstellationen determiniert, die im Ödipuskomplex ihren Ausdruck finden, psychische Freiheit sei deshalb eine Illusion...
Anders als Descartes oder Kant, geht Spinoza davon aus, dass die Annahme eines freien Willens ein philosophisches Konstrukt ist, für das es weder eine objektive noch eine subjektive Evidenz gibt. Diese Annahme führt in seinen Augen sogar zu einem falschen menschlichen Selbstverständnis, wonach “wir” wie ein “Staat im Staate” zwar zur Natur gehören, von natürlichen Ressourcen abhängen, aber ihr doch als willensfreie Personen “gegenüberstehen”...
Gemeinsames Seminar von GAD und DaS mit Prof. Dr. Marco Casanova, Rio de Janeiro
Marco Casanova hat vor einigen Jahren in Sao Paolo das «Instituto Dasein» gegründet, wo die von uns vertretene neue Richtung der Daseinsanalyse gelehrt wird und dank dem in Brasilien auf grosses Interesse stösst. Schon darum ist es uns eine Freude, ihn am 13. Januar bei uns in Zürich zu begrüssen und mit ihm live ins Gespräch zu kommen...
Nehmen Sie sich jeweils die Mühe, auf dem Packungsbeilagezettel eines Arzneimittels die Auflistung möglicher und zum Teil drastischer unerwünschter Wirkungen zu lesen? Waren Sie sich vor der Einwilligung in die letzte Darmspiegelung bewusst, dass diese mit potentiell lebensgefährlichen Komplikationen einhergehen kann..?
Heute haben erstaunlich viele Menschen nicht nur ihre ganz eigenen Vorstellungen von individueller Freiheit, sondern sie verstehen es auch als ihr legitimes Recht, ihr persönliches Leben nach ihren eigenen Freiheitsvorstellungen auszurichten. Ein eindrückliches Beispiel dafür lieferte vor kurzer Zeit die verbreitete Weigerung, während der Corona-Pandemie die staatlichen Anweisungen zur Einhaltung des Lockdowns sowie zur Impfpflicht zu befolgen, weil ihnen dadurch ihr unantastbares Recht auf freie Bewegung sowie auf Selbstbestimmung über ihren eigenen Körper geraubt werde...
In diesem Referat geht es darum, die politische Ambivalenz von apokalyptischen und utopischen Erzählungen der Klimakrise zu untersuchen: Ist es wahr, wie oft in der Politik, im Journalismus, in philosophischen und wissenschaftlichen Abhandlungen behauptet wird, dass diese zu einer wirklichkeitsfremden, de-politisierten und/oder passiven Haltung gegenüber der Klimakrise verleiten? Oder haben solche Erzählungen auch das Potential, den status quo radikal zu hinterfragen und anderen Formen des Denkens und Handelns den Weg zu bahnen?
Vortrag von Dr. Claudia Keller, Deutsches Seminar der Universität Zürich
Der Vortrag beleuchtet diese verschiedenen Aspekte der Erschöpfung, jedoch mit einem besonderen Fokus auch auf die nicht-menschliche Erschöpfung (des Planeten, der Biodiversität), und diskutiert dabei kritisch den Stellenwert, den die hermeneutische Philosophie noch haben kann – in einem Zeitalter, in dem es nicht um Wiedererkennen, sondern um Verabschieden geht und in dem man immer schon genug verstanden, aber zu wenig gehandelt hat.
Symposium zum 80. Geburtstag von Dr. Alice Holzhey-Kunz. Mit Vorträgen von Prof. Dr. Emil Angehrn und Prof. Dr. Joachim Küchenhoff sowie anschliessender Podiumsdiskussion. Apéro riche ab ca. 19:30 Uhr.
Vortrag von Dr. Anke Maatz, Psychiatrische Universitätsklinik Zürich (PUK)
Das Sprechen über eigene Erfahrungen psychischer Erkrankung ist von vielen Sorgen begleitet, etwa der Sorge vor Kategorisierung, vor Reduktion auf die Erkrankung und vor Nicht-Verstandenwerden. Diesen und weiteren Sorgen möchte ich ausgehend von dem interdisziplinären und partizipativen Forschungsprojekt «Drüber reden! Aber wie?» (www.drueberreden.ch) auf mehreren Ebenen nachgehen...
Vortrag von Dr. Adam Knowles, Philosophisches Seminar der Universität Zürich
Inwieweit muss man sich Sorgen um die Texte und das Denken Martin Heideggers machen? Einige Fakten im Fall Heideggers dürften spätestens seit jüngster Zeit klar sein: Heidegger war überzeugter Nationalsozialist, war Antisemit von einem ausgeprägten völkischen Schlag, und—was oft übersehen wird—hat als Rektor der Universität Freiburg die Universität in den Zeiten der Gleichschaltung brutal „arisiert.“ Die philosophische Bedeutung dieser Fakten bleibt dennoch umstritten...
Vortrag von lic. iur. Schmuel Stokvis, Schulleiter der Stiftung Schloss Regensberg
In der Pädagogik drückt sich die Sorge wie die Fürsorge unserer Gesellschaft für den jungen Menschen wohl am deutlichsten an der Peripherie von schulischen Settings aus: im Sonderschulheim, im Jugendstrafvollzug, in der Psychiatrie. Über den Erfahrungshintergrund aus allen drei Bereichen wirft der Vortrag einen multiperspektivischen Blick auf das Phänomen der Sorge und reflektiert dabei u.a. die Rolle der Technik in Form der Digitalisierung kritisch.
„Zum zweiten Mal in Folge bezeichnen die Schweizerinnen und Schweizer die Corona-Pandemie als ihre Hauptsorge, doch praktisch im gleichen Atemzug nennen sie nun den Klimawandel und die Altersvorsorge.“ So zeigt es das „Sorgenbarometer“ der Crédit Suisse am 25.11.2021 an. Es geht um die seit zwei Jahren sich wellenförmig ausbreitende coronabedingte Bedrohung der Weltgesundheit, doch auch, neben Fragen der Alterssicherung, um die zunehmende Bedrohung durch die Klimakrise. Die täglichen Nachrichten aus Politik und Wissenschaft, mit kontinuierlich neuen Lageberichten sowie eingeleiteten, angekündigten und verordneten Massnahmen fordern - und strapazieren - das Vertrauen der Bevölkerung, intensivieren Unsicherheit und lassen Besorgnis wachsen...
Am Donnerstag den 9. Juni 2022 findet um 19.00 Uhr, also vor der Forums-Veranstaltung mit Frau Prof. Brigitte Boothe, welche um 20.00 Uhr beginnt, ebenfalls in der Weggenstube die alle zwei Jahre durchgeführte ordentliche Vereinsversammlung der Gesellschaft für hermeneutische Anthropologie und Daseinsanalyse GAD statt. Anschliessend Apéro bis 20.00 Uhr, zu dem auch die Forums-Teilnehmer eingeladen sind!
Die Mitglieder der GAD erhalten für die Vereinsversammlung noch eine gesonderte Einladung.
Vortrag von Dr. phil. Prisca Bauer, Ärztin, Universitätsklinikum Freiburg
Karl Jaspers definierte Grenzsituationen als Ereignisse, die die Grundbedingungen und Widersprüche des Lebens spürbar machen. „In jeder Grenzsituation wird mir gleichsam der Boden unter den Füßen weggezogen“ (Jaspers 1919). Grenzsituationen können nicht aufgehoben werden, sondern müssen ausgehalten werden. Laut Jaspers ist die Bewältigung von Grenzsituationen abhängig von der inneren Haltung des Subjekts...
Gespräch zwischen Prof. Dr. Jens Gaab und MSc Julian Hofmann
Im vergangenen Wintersemester hat sich Julian Hofmann anlässlich eines Forumsabends mit dem gegenwärtigen Zustand der akademischen Psychologie beschäftigt. Zweifelsohne blieben danach viele Fragen offen. In der kommenden Veranstaltung wollen wir uns diesen und weiteren Fragen in einem Gespräch widmen – und zwar gemeinsam mit Jens Gaab, der als Professor für Klinische Psychologie und Psychotherapie an der Universität Basel mit der akademischen Forschung bestens vertraut ist...
Man mag sich wundern, warum Heidegger das umgangssprachliche Wort «Sorge» auswählt, um damit ab § 41 den Begriff «Existenz» zu ersetzen.
Ich versuche in diesem Vortrag seine Gründe für die Wahl dieses Wortes nachzuzeichnen, die wenig geglückt erscheint, weil sie für den naiven Leser missverständlich ist. Denn wer denkt beim Wort «Sorge» schon daran, dass es zwei Bedeutungen hat, die nicht auf einen Nenner zu bringen sind? Das aber ist beim Wort «Sorge» der Fall und erlaubt es darum Heidegger, die innere Widersprüchlichkeit menschlichen Existierens in einem einzigen Wort einzufangen...
Ein nicht ganz so objektiver Blick auf die akademische Psychologie
Die heutige akademische Psychologie zeichnet sich durch eine starke Betonung ihrer naturwissenschaftlichen Grundorientierung aus. Verbunden damit ist das Bestreben, ihr Image als spekulative und ungenaue Wissenschaft und damit auch ihre Stellung als ein «Sorgenkind» loszuwerden. Dementsprechend stehen im Zentrum der psychologischen Forschungsmethodik diverse positivistisch gefärbte Begriffe wie Objektivität, Verallgemeinerbarkeit und Falsifizierbarkeit. Der akademischen Psychologie geht es nicht darum, über Fragen des Menschseins nachzudenken – so schreibt es zumindest das Psychologische Institut der Universität Zürich in den Studieninformationen. Können aber solche Fragen, die den «Forschungsgegenstand» der Psychologie mindestens tangieren, tatsächlich ausgeklammert werden...?
Weshalb Cura - die Sorge - in der Geschichte von Gaius Julius Hyginus über den Fluss geht
Die Sorge geht über den Fluss ist der Name eines schmalen Bandes von Hans Blumenberg, in welchem er die Geschichte von Gaius Julius Hyginus über die Sorge (cura) deutet. Die Grundaussage der Geschichte ist einfach: Die Sorge geht über den Fluss, nimmt ein Stück Ton und gestaltet eine Figur – den Menschen. Doch je näher man hinsieht, desto mehr Fragen kommen auf...
Erfahrungen an den Grenzen philosophischen Denkens.
Prof. em. Dr. Helmut Holzhey und PD Dr. Donata Schoeller im Gespräch
Von Helmut Holzhey ist 2017 ein Buch mit dem oben genannten Titel erschienen, und auf die Vereinsversammlung im Herbst letzten Jahres ist Helmut Holzhey nach genau 40 Jahren (!) Mitgliedschaft aus dem Vorstand der GAD zurückgetreten. Beides zusammen ist Grund genug, uns an diesem Forum für Helmut Holzheys Verständnis von Philosophie sowie für seine eigenen philosophischen Denkerfahrungen zu interessieren...
Ein Inhaltsankündigung zu schreiben, bevor der Vortrag Satz für Satz gedacht und geschrieben ist, kann nicht mehr sein, als den Stand eigener Vermutungen und unklarer Vorgriffe auf Papier zu bringen. Dieser Status meiner Unklarheiten ist folgender: ...
Was vermag die Sprache gegen den Absolutismus der Wirklichkeit?
Mit Prof. Dr. med. Joachim Küchenhoff (Basel), Dr. phil. Alice Holzhey-Kunz (Zürich) und PD Dr. phil. Donata Schoeller (Zürich und Koblenz)
«Seine [des Menschen] erste Anstrengung zielt darauf, die Übermacht des Wirklichen zu brechen und ihm seine Fremdheit zu nehmen, durch Benennung und Beschreibung, in forschender Durchdringung und technischer Bewältigung» (Blumenberg, Arbeit am Mythos).
Konfrontation mit dem Absolutismus der Wirklichkeit bei Sterbenskranken.
Vortrag von Dr. med. Christina Schlatter
Zum Wesen des Menschen gehört das Wissen um den eigenen Tod. Im Alltag bedrückt es uns kaum, zu wissen, dass wir irgendeinmal sterben werden. Zu ungewiss ist die Stunde, zu geschäftig die Ablenkung des Lebens. Menschen mit einer unheilbaren Krankheit erleben die Wirklichkeit dieses Wissens um den eigenen Tod in ganz anderer Weise. Zum Wissen, «dass» kommt das Wissen, «wann»...
Wegen der aktuellen COVID-19-Situation verschoben auf den 19. Juni 2021!
Geplant ist ein Tagungs-Seminar als Abschluss des bisherigen Leitthemas "Der Absolutismus der Wirklichkeit".
Thema: Der Absolutismus der Wirklichkeit und die Sprache Was vermag die Sprache diesbezüglich zu leisten? Ist es eine wesentliche Funktion der Sprache, vor der Erfahrung des Absolutismus der Wirklichkeit zu schützen?
Wegen der aktuellen COVID-19-Situation verschoben auf den 6. Mai 2021!
Wir sehen jetzt durch einen Spiegel. Erfahrungen an den Grenzen philosophischen Denkens
Donata Schoeller im Dialog mit Helmut Holzhey
Von Helmut Holzhey ist 2017 ein Buch mit dem oben genannten Titel erschienen, und auf die Vereinsversammlung im Herbst dieses Jahres ist Helmut Holzhey nach genau 40 Jahren (!) Mitgliedschaft aus dem Vorstand der GAD zurückgetreten. Beides zusammen ist Grund genug, uns an diesem Forum für Helmut Holzheys Verständnis von Philosophie sowie für seine eigenen philosophischen Denkerfahrungen zu interessieren. Schon die Tatsache, dass er sich 40 Jahre lang für das Programm der GAD mitengagiert hat, zeigt, dass er immer überzeugt war, dass sich philosophisches Denken auch für das Denken anderer Disziplinen zu öffnen hat, um selber lebendig zu bleiben.....
Wegen der aktuellen COVID-19-Situation verschoben auf den 15. April 2021!
Leitung: Dr. med. Christina Schlatter
Zum Wesen des Menschen gehört das Wissen um den eigenen Tod. Im Alltag bedrückt es uns kaum, zu wissen, dass wir irgendeinmal sterben werden. Zu ungewiss ist die Stunde, zu geschäftig die Ablenkung des Lebens. Menschen mit einer unheilbaren Krankheit erleben die Wirklichkeit dieses Wissens um den eigenen Tod in ganz anderer Weise. Zum Wissen, «dass» kommt das Wissen, «wann». ......
Wegen der aktuellen COVID-19-Situation verschoben auf den 3. Juni 2021!
Leitung: Dr. Niklaus Peter, Pfarrer Fraumünster Zürich
„Absolutismus der Wirklichkeit“? – Versuch einer theologischen Antwort
Mit der Prägung „Absolutismus der Wirklichkeit“ hat Hans Blumenberg einen der Kerne seines Theorieprogramms begrifflich gefasst. Er hat diesen in weitreichenden geistesgeschichtlichen Grosserzählungen ausformuliert, und damit all das, was religiöses Wissen und dessen dichterisch-musikalische Gestaltungen umfasst, als Mythos gekennzeichnet, als eine Art von hoffnungsvollem (aber eigentlich hoffnungslosem) illusionären Gegenwissen, an denen man sich abarbeiten müsse. .........
Der Umgang mit dem Ausgesetztsein des Menschen in der Welt: Auf den Spuren des Irrationalen bei den Griechen.
Indem Mythen die für den Menschen schwer erträgliche Wirklichkeit erklären, verhüllen sie diese zugleich. Dagegen versuchen die Kritiker mythischer Weltbilder, die Wirklichkeit durch rationale Analyse zu enthüllen. ......
Weder Ernst Cassirer (1874-1945) noch Martin Heidegger (1889-1976) zielen in ihrem Werk primär auf eine philosophische Anthropologie ab. Aber beim Davoser Gespräch von 1929 steht im Zentrum, was der Mensch seinem Wesen nach ist. Cassirer bestreitet Heideggers phänomenologische Daseinsanalytik nicht, kann sie aber nur als „Ausgangspunkt“ gelten lassen: jedoch nicht wie dieser als Ausgangspunkt für das Denken des Seins, sondern als einen Ausgangspunkt, von dem her erst mittels einer Philosophie der symbolischen Formen „das Spezifische des Menschseins“ zu eruieren ist.
Die Bewusstseinsforschung mit psychedelischen Substanzen und deren klinisch-experimenteller Einsatz zur Unterstützung psychotherapeutischer Transformationsprozesse erlebt derzeit eine Renaissance. Als epistemologische Werkzeuge bieten Psychedelika interessante Einblicke in die innere Architektur des Bewusstseinsraums.
Flüchtige Augenblicke, in denen wohlgefügte Vorstellungsketten einreissen; Begegnungen wie ein plötzliches Zusammenprallen; Merken, dass das Hören eines Vortrags für einen Moment nur Stimmenklang war und vom Inhalt nichts geblieben ist; Überrumpeltwerden von der «nackten» Tatsache, Körper zu sein...
Der Absolutismus der Wirklichkeit manifestiert sich unter anderem auch als erkenntnistheoretischer Gesichtspunkt, der sich anmasst, die Welt zu sehen, „wie sie ist“. Traditionell verband man diese Sicht mit einem alles beobachtenden Wesen: Gott. ........
Gegenwärtig wird viel Schindluder mit leeren Begriffshülsen getrieben. Der Vortrag greift insbesondere zwei davon auf: «Digitalisierung» und «Posthumanismus». Prof. Dr. Walther Ch. Zimmerli, HU Berlin
Es liegt nahe, sich philosophisch bei Kierkegaard kundig zu machen, wenn man sich über das Phänomen der Verzweiflung klar werden will. Ich habe nun mit Erstaunen festgestellt, dass Kierkegaard sich nicht für jene Verzweiflung interessiert, die Menschen, welche an dieser Stimmung leiden, von sich selber sagen lässt: „Ich bin verzweifelt“. Für ihn ist die Verzweiflung ein objektiver Befund ganz unabhängig davon, ob sich jemand subjektiv verzweifelt fühlt oder nicht. Die Verzweiflung ist bei K. ein (pathologischer) Seinszustand, in dem sich die meisten Menschen während der meisten Zeit ihres Lebens befinden.
Es wird mir in diesem Vortrag darum gehen, zuerst einmal beide Verwendungsweisen des Wortes „Verzweiflung“ voneinander zu unterscheiden, um dann zu fragen, ob Kierkegaard auch etwas von dem eingefangen hat, was Menschen erfahren, die sich subjektiv verzweifelt fühlen, und wenn ja was.
Psychische Krankheiten stören oder unterbrechen den unbefangenen Lebensvollzug; sie führen zu übermäßiger Selbstbeobachtung, Selbstbewertung und Rückwendung des Denkens auf die eigene Vergangenheit. Diese Phänomene lassen sich als Hyperreflexivität zusammenfassen. Gleichzeitig äußern sich viele psychische Störungen in einem Verlust vertrauter Gewohnheiten und leiblicher Praktiken, bis hin zu einer Fragmentierung des intentionalen Bogens von Wahrnehmen und Handeln. Statt des intendierten Ganzen treten einzelne Elemente störend in den Vordergrund, was sich als „pathologische Explikation“ bezeichnen lässt.
Hyperreflexivität und Explikation verstärken einander wechselseitig: Das bislang Selbstverständliche wird fragwürdig, das Vertraute fremd, und die aus der Entfremdung resultierende Selbstreflexion trägt noch zusätzlich zur Störung bei. Darin manifestiert sich nicht zuletzt die grundlegende Vulnerabilität, die der psychischen Organisation des Menschen durch sein Reflexionsvermögen zukommt. Dies wird anhand klinischer Beispiele von neurotischen und psychotischen Störungen erläutert.
Ich werde den Wandel der Begriffe Geschlechtlichkeit, Sexualität und Gender und der auf sie bezogenen sozialen Rollen darstellen und diskutieren. Da die Geschlechts- bzw. Genderzugehörigkeit für viele Menschen problematisch geworden ist, sind diese Zugehörigkeiten das Objekt von Zweifel und nicht selten gerade deswegen auch der Grund für Verzweiflung. Ich werde abschliessend der Frage nachgehen, in wie weit es nicht nur ethisch, moralisch wünschbar ist, sich in die schwierige Situation von Transgenderpersonen einzufühlen, wie das heute im Sinne politischer Korrektheit zu Recht gefordert wird, sondern auch ein Verständnis für Menschen geboten erscheint, welche durch jene relativ plötzlich eingetretene Veränderung der gesellschaftlichen Normen überfordert sind, die darin besteht, dass Geschlechtszugehörigkeit nicht mehr wie ehedem als eine unabänderliche Gegebenheit betrachtet wird, sondern zum Ziel von Wünschen geworden ist, die sich gewisse Menschen erfüllen können und andere nicht.
Dr. phil. Daniela Sichel und lic. phil. Doris Lier
Luigi Pirandellos Roman «Einer, keiner, hunderttausend» handelt von einem Menschen, der eines Tages die Entdeckung macht, dass die anderen jemanden in ihm sehen, den er selbst nicht sehen kann. Diese Entdeckung ist verstörend. Denn, so der Hauptdarsteller:
«Wie sollte ich diesen Fremden in mir ertragen? Diesen Fremden, der ich selber war? Ohne ihn je zu sehen? Ohne ihn je zu kennen? Wie es ertragen, dauernd dazu verurteilt zu sein, ihn mit mir herumzuschleppen, in mir, im Blickfeld der anderen und ausserhalb des meinen?»
Wir stellen den «pirandellesken» Gang der Verzweiflung am «Blick des Anderen» anhand von Textausschnitten und überleitenden Kommentaren vor.
Am Donnerstag 9. Juni findet um 19.00 Uhr, also vor der Forums-Veranstaltung, welche um 20.00 Uhr beginnt, am selben Ort (Weggenstube des Restaurants Weisser Wind) die alle zwei Jahre durchgeführte ordentliche Vereinsversammlung der Gesellschaft für hermeneutische Anthropologie und Daseinsanalyse GAD statt. Anschliessend Apéro bis 20.00 Uhr, zu dem auch die Forumsteilnehmer herzlich eingeladen sind.
Die Mitglieder der GAD erhalten für die Jahresversammlung noch eine gesonderte Einladung.
Was haben Stanley Cavell, der lebenslang im sicheren Ambiente arrivierter Institutionen gern Hollywood- Filme schaut, und Hannah Arendt, die eine «Schiffbrüchige der Zeitgeschichte» war, Flucht, Lagererfahrung und radikale Heimatlosigkeit durchleben musste, miteinander zu tun? Verbindungslinien im Denken dieser beiden unterschiedlichen Persönlichkeiten werden deutlich, wenn man sich darauf einlässt, wie sie den philosophischen Zweifel und die gelebte Erfahrung in Beziehung bringen. Zu Verbündeten werden beide in ihrer lebensweltlich verankerten Skepsis gegenüber einem von der Lebenserfahrung entkoppelten, weltfremden Skeptizismus. Dabei öffnen sie ein Verständnis von Philosophie, das sich gesellschaftspolitischen und lebensnahen Problemstellungen und Fragen verpflichtet weiss und genau deshalb einen Raum individueller Nachdenklichkeit zur Verfügung stellt.
Ort: Zentrum Karl der Grosse, Kirchgasse 14, 8001 Zürich
Die Vorträge sind für Mitglieder der GAD und des entresol sowie für Studierende gratis. Nichtmitglieder zahlen Fr. 20.–
Die Veranstaltungen werden gemeinsam mit dem entresol durchgeführt
Selbst-Sicherheit und Sinnverlust. Philosophischer Zweifel und existentielle Verzweiflung
Prof. Dr. Georg Kohler, Zürich
Der philosophische und der alltägliche Zweifel sind genau zu unterscheiden. Das Kriterium ist die Bedingung, die der philosophische Zweifel nicht, der alltägliche hingegen sehr wohl annimmt: dass es so etwas wie die – den Zweifel beseitigende – Wahrheit gibt. Seit Nietzsche und den Einsichten seines «Tollen Menschen» traut sich die aktuelle Philosophie nichts Grösseres mehr zu, als jeweils «gute Gründe» für die «rationale Plausibilität» ihrer Theorien zu liefern. Den spekulativen Entwurf im Sinne Hegels ersetzt sie, wenn es ums Letzte geht, durch ein «anfängliches Fragen», das weder Wissen noch Glauben ist und sein will und gewiss nicht Ausdruck von Verzweiflung. Diese zu verstehen und zu begreifen gehört darum auch nicht zu einem Denken, das sich um die tiefsten Probleme zwischen Wissen und Glauben bemüht, sondern zu einer philosophischen Psychologie, die die Voraussetzungen der spezifisch menschlichen Lebendigkeit und ihres (Selbst)Verständnisses untersucht.
Ort: Zentrum Karl der Grosse, Kirchgasse 14, 8001 Zürich. Terrassenzimmer
Die Vorräge sind für Mitglieder der GAD und des entresol sowie für Studierende gratis. Nichtmitglieder zahlen Fr. 20.-
Die Veranstaltung wird gemeinsam mit dem entresol durchgeführt.
Am Donnerstag, 11. Juni 19:00 Uhr findet vor der Forumsveranstaltung(Selbstsorge: Resignativer Rückzug ins "gute Leben" oder letzte List der politischen Vernunft; Dr. phil. Michael Pfister) in der Weggenstube des Restaurants Weisser Wind die Jahresversammlung der GAD statt.
Am Donnerstag 5. Juni 19.00 Uhr findet vor der Forums- Veranstaltung ebenfalls in der Weggenstube des Restaurants Weisser Wind die Jahresversammlung der Gesellschaft für hermeneutische Anthropologie und Daseinsanalyse statt, mit anschliessendem Apéro bis 20.00 Uhr, zu dem alle herzlich eingeladen sind. Die Mitglieder erhalten für die Jahresversammlung eine gesonderte Einladung.
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